Die Vermögensverteilung in Deutschland

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird zunehmend größer – das zeigen auch Stichproben des Bundessozialministeriums. Während im Jahr 1998 zehn Prozent aller deutschen Haushalte 45,1 Prozent des Nettovermögens besaßen, waren es im Jahr 2022 schon 60 Prozent. Was bedeutet das für die Vermögensverteilung in der Republik?

Daniel Winterl

Redaktionsleitung FinanceScout24


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Zuletzt aktualisiert: April 27, 2023

Author Daniel Winterl

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Inhaltsverzeichnis
     

    Unter Vermögensverteilung wird die Verteilung des gesamten Volksvermögens auf die Bevölkerung oder einzelne Schichten der Bevölkerung verstanden. Dabei kann diese Verteilung sowohl in regionaler als auch in nationaler oder sogar globaler Hinsicht untersucht werden. Eine gerechte Einkommens- sowie Vermögensverteilung kann nur erzielt werden, wenn der Teil der Bevölkerung, der genug hat, den Reichtum mit den Bedürftigen teilt.

    Das Vermögen wird in diesem Zusammenhang aus dem Wert der Güter, die ein Haushalt besitzt, zusammengesetzt. Das bedeutet: Alles, was ein Haushalt über einen längerfristigen Zeitraum besitzt, wird dem Vermögen zugerechnet. Handelt es sich allerdings um Güter, die nur für einen kurzen Zeitraum besessen werden, werden diese als Einkommen bezeichnet.

    Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettovermögen

    Bei der Untersuchung der Vermögensverteilung in Deutschland sollte zwischen dem Brutto- und dem Nettovermögen unterschieden werden:

    1. Bruttovermögen: Das Bruttovermögen ergibt sich aus der Summe aller Vermögenswerte, die sich aus dem Umlaufvermögen und dem Anlagevermögen zusammensetzen. Hierzu zählt das selbstgenutzte Wohneigentum, sonstiger Immobilienbesitz, Geldvermögen und Vermögen aus privaten Versicherungen.
    2. Nettovermögen: Darunter wird die Summe aller Vermögenswerte gesammelt abzüglich der Verbindlichkeiten beziehungsweise Schulden; das Nettovermögen wird auch als Reinvermögen bezeichnet. Ein Studienkredit oder auch unbezahlte Rechnungen werden auf der Verbindlichkeiten-Seite aufgeführt, Geld oder Immobilien stehen auf der anderen Seite.

    Bei einer Betrachtung der Schere zwischen Arm und Reich sollte stets das Nettovermögen herangezogen werden.

    Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank aus dem Jahr 2014 lag das durchschnittliche Bruttovermögen pro Haushalt bei 240.200 Euro, während das Nettovermögen durchschnittlich 214.500 Euro je Haushalt betrug. Zusätzlich lag das Nettovermögen von nahezu 75 Prozent aller deutschen Haushalte unter diesem Durchschnitt.

    Ungleiche und ungerechte Vermögensverteilung

    Eine ungleiche Vermögensverteilung ist nicht automatisch eine ungerechte Verteilung. In Bezug auf die Zahlen bezüglich Deutschlands kann allerdings von einer ungerechten Vermögensverteilung ausgegangen werden. Denn die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das zeigt auch der DIW Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. von 9/2014, welches Zahlen von 2012 erhob:

    • Etwa ein Fünftel der Deutschen verfügte über kein persönliches Vermögen
    • Bei sieben Prozent der Deutschen ist das Bruttovermögen niedriger als die Verbindlichkeiten
    • Das reichste Prozent der Bevölkerung verfügte über rund 817.000 Euro

    Darüber hinaus wurde ermittelt, dass das Nettovermögen pro Erwachsenem im Jahr 2012 bei durchschnittlich 83.000 Euro lag. Das Mittlere Vermögen, welches das Vermögen in zwei gleiche Hälften teilt, lag jedoch bei 17.000 Euro.

    Wie ist es zu dieser ungleichen Verteilung in Deutschland gekommen?

    Schon seit über zehn Jahren ist die Vermögensungleichheit in Deutschland äußerst groß; dabei soll sie sich insbesondere im Zeitraum zwischen 2002 und 2012 verschärft haben. Hierbei gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Vermögen und Einkommen: Je mehr Nettoeinkommen, desto mehr kann gespart werden. Aus diesem Grund werden die Reichen immer reicher, die Armen dagegen jedoch ärmer, weil ihnen das Einkommen fehlt, um es als Vermögen anlegen zu können.

    Laut IMK gibt es für diese ungleiche Verteilung insgesamt drei Gründe. Zum einen verteile der Staat weniger um, zum anderen würden immer mehr schlecht bezahlte Jobs angeboten. Darüber hinaus wachsen die Kapitaleinkommen.

    Verteilung des Nettovermögens

    Die ungleiche Verteilung zeigt sich nicht nur im Vergleich zwischen Reich und Arm, sondern auch in der Gegenüberstellung zwischen Ost- und Westdeutschland: Auch rund 25 Jahre nach der Vereinigung besteht noch immer ein starkes West-Ost-Gefälle.

    So betrug das durchschnittliche Nettovermögen in Westdeutschland im Jahr 2012 knapp 94.000 Euro, während es in Ostdeutschland zur gleichen Zeit bei rund 41.000 Euro lag – also weniger als die Hälfte. Der Median zeigt ein ebenso starkes Gefälle: In Westdeutschland liegt dieser bei etwa 21.000 Euro, in Ostdeutschland dagegen bei nur rund 8.000 Euro.

    Auch zwischen Nord und Süd lässt sich ein deutlicher Unterschied ausmachen. So lag der Median in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg Ende 2010 beispielsweise bei 106.000 Euro. In Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein betrug das Median-Nettovermögen dagegen nur rund 21.400 Euro.

    Faktoren, die Einfluss auf die Vermögensverteilung haben

    Auch andere Faktoren haben Einfluss auf die Vermögensverteilung in Deutschland. Dazu zählen beispielsweise diese Aspekte:

    • Alter: Laut des DIW Wochenberichts 9/2014 hat insbesondere in Westdeutschland das Alter einen großen Einfluss auf das Vermögen. So steigt das durchschnittliche Vermögen ab einem Alter von 26 Jahren stark an; das höchste Nettovermögen können die 66- bis 70-Jährigen vorweisen.
    • Geschlecht: Im Jahr 2012 erreichten Frauen nur 72 Prozent des Nettovermögens der Männer. Bei den Männern lag das durchschnittliche Nettovermögen bei 97.000 Euro, bei den Frauen dagegen nur bei 70.000 Euro.
    • Migrationshintergrund: Auch Personen mit Migrationshintergrund besitzen im Regelfall ein geringeres Vermögen als Personen ohne Migrationshintergrund. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) bestand im Jahr 2007 hier eine Differenz von 40.000 Euro.

    Da ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Vermögens und der Höhe des Einkommens besteht, ließe sich die Vermögensverteilung beispielsweise etwas ausgleichen, wenn die Gehälter der weiblichen Bevölkerung an die der männlichen Bevölkerung besser angepasst werden würde. Darüber hinaus würde auch eine Anpassung der westdeutschen sowie der ostdeutschen Gehälter dafür sorgen, dass die ungleiche Verteilung geringer werden würde.

    Deutschland vs. andere Länder der Euro-Zone

    Im Vergleich aller Länder der Euro-Zone lässt sich erkennen, dass Deutschland zu den Ländern gehört, in denen der Vermögensaufbau äußerst ungleich verteilt ist. Das zeigt auch der Gini-Koeffizient, der für Deutschland im Jahr 2012 bei 0,78 lag.

    Was ist der Gini-Koeffizient?

    Bei dem Gini-Koeffizient handelt es sich um einen Wert zwischen 0 und 1, der die Höhe der Ungleichheit anzeigt. Je näher dieser Wert an der 1 liegt, desto größer ist die Ungleichheit der Vermögensverteilung in dem jeweiligen Land ausgeprägt.

    Im Vergleich zum deutschen Gini-Koeffizienten lagen beispielsweise der italienische bei 0,61 und der slowakische sogar bei 0,45.

    Allerdings ist die Erfassung der Vermögensverteilung in Deutschland relativ problematisch. Denn das Vermögen der Reichen ebenso wie der Superreichen wird vermutlich noch immer unterschätzt, da dieses in der Republik bisher schlecht erforscht ist.

    Entwicklung der Vermögensverteilung

    Die reichsten zehn Prozent der Deutschen verfügen über ein Pro-Kopf-Vermögen von etwa 1,4 Millionen Euro, das zumindest schätzen die Ökonomen. Hierbei handelt es sich ungefähr um das 80-Fache des mittleren Vermögens in der Republik. Im Jahre 2002 dagegen betrug das Vermögen der oberen zehn Prozent im Vergleich nur das 50-Fache.

    Auf Basis dieser Zahlen kann angenommen werden, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter wächst. Allerdings wird davon ausgegangen, dass diese Zahl nur gestiegen ist, da die Daten des DIW durch Zahlen des Statistischen Bundesamts ergänzt wurden.

    Eine Längsschnittbetrachtung der 2.139 Haushalte, die sowohl 2010 als auch 2014 an der PHF-Studie der deutschen Bank teilgenommen haben, zeigt eine vergleichsweise stabile Vermögensverteilung. Diese recht stabile Verteilung ergibt sich auch daraus, dass bei den Eigenheimbesitzern zwischen 2010 und 2014 das Nettovermögen stieg, während Mieter hier teils größere Verluste hinnehmen musste.

    Wie gestalten sich die Geldanlagen in reichen und in ärmeren Haushalten?

    Bei der Betrachtung der Geldanlagen aller Haushalte zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Höhe des Vermögens direkt mit der Höhe des Einkommens verbunden ist. Denn das Vermögen der reichen sowie superreichen Haushalte ist in der Regel so gut angelegt, dass es Renditen bringt – auf diese Weise können wohlhabende Haushalte in Deutschland ihr Vermögen noch vergrößern.

    Ärmeren Haushalten steht dagegen meist nicht genug Einkommen zur Verfügung, um einen Teil davon in Geldanlagen investieren zu können. Dadurch können nur wenige von ihnen eine private Altersvorsorge abschließen. Das resultiert wiederum in einem geringen oder sogar fehlenden Einkommen, welches nicht durch Geldanlagen aufgestockt werden kann.

    Auswirkungen auf die Wirtschaft

    Die Vermögensungleichheit kann durchaus auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben – dabei könnte diese ungerechte Verteilung zu einer Instabilität in der Gesamtwirtschaft führen. Schon zwischen 1990 und 2010 sei die Wirtschaft in insgesamt 19 Ländern um 4,7 Prozent weniger gestiegen. Dafür gibt es unter anderem die folgenden Gründe:

    • In Deutschland besteht keine Chancengleichheit
    • Fehlende wirtschaftliche Dynamik durch fehlende Chancengerechtigkeit
    • Fehlende Bildungsgerechtigkeit bzw. fehlende Bildungschancen

    Diese Gründe zeigen, dass durch die ungleiche Verteilung das Potenzial der unteren 40 Prozent der Gesellschaft verschenkt würde. Viele Experten gehen davon aus, dass schon mit gerechter verteilten Bildungschancen bessere Karrierechancen und dadurch letztendlich eine dynamischere Wirtschaft entstehen kann.

    Wie ließen sich zukünftige Wirtschaftskrisen vermeiden?

    Etliche Ökonomen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) schlagen vor, dass die Vermögenssteuer erneut eingeführt wird. Eine weitere sinnvolle Methode wäre, die Abgeltungssteuer, die derzeit bei 25 Prozent liegt, abzuschaffen. Darüber hinaus raten sie, den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Werden diese Maßnahmen angewandt, gehen die Ökonomen davon aus, dass die Vermögensungleichheit reduziert werden könnte.

    Würden diese Maßnahmen umgesetzt, hätte die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland eventuell sogar positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft.

    Reaktionen auf Seiten der Politiker

    Angesichts der ungerechten Vermögensverteilung in der Republik fordern insbesondere die Linkspartei und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Millionärssteuer: Hierbei soll laut der Linken auf Vermögen von über einer Million Euro eine Steuer von fünf Prozent fallen. Zusätzlich sollen höhere Steuern für große Erbschaften fällig und die Kapitalertragssteuer abgeschafft werden.

    Auf diese Weise wird mit der ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland zunehmend mehr Politik gemacht, da sich insbesondere die Linkspartei auf diesen Aspekt konzentriert. Doch auch rechtsextreme politische Parteien sprechen die Vermögensverteilung zunehmend öfter an.

    Auswirkungen auf die Gesellschaft

    Insbesondere auf die Mittel- und Unterschicht in Deutschland hat die Vermögensungleichheit Auswirkungen: Im Jahr 2022 haben etwa neun Prozent aller Haushalte in Deutschland negative Vermögen, sie sind also verschuldet.

    Durch diese Auswirkungen driftet die deutsche Gesellschaft zunehmend auseinander. Die Zahl der Personen, die nur ein geringes Einkommen besitzen, steigt weiter an. Sowohl die Gruppe der Armen als auch die Gruppe der Reichen wächst, während die Mittelschicht immer weiter schrumpft.

    Aufgrund dieser Entwicklungen könnte es zu einem Zuwachs rechtsextremer politischer Parteien sowie Gruppierungen kommen. Denn die Unter- ebenso wie die Mittelschicht fühlt sich von den aktuellen Politikern oft im Stich gelassen. Doch die Demokratie lebt von einer Vielfältigkeit in der Bevölkerung – deshalb muss die Vermögensverteilung ausgeglichener sein. 

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