Einkommensverteilung: Wer erhält welchen Anteil am Gesamteinkommen?

Mit dem Begriff Einkommensverteilung oder Distribution wird die Verteilung der Einkommen innerhalb eines Staates bezeichnet. Es muss jedoch klar vom Begriff Vermögensverteilung abgegrenzt werden. Staaten haben dann die Möglichkeit, mit Hilfe von sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen einer ungleichen Einkommensverteilung in einem gewissen Rahmen entgegenzuwirken.

Daniel Winterl

Redaktionsleitung FinanceScout24


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Zuletzt aktualisiert: April 27, 2023

Author Daniel Winterl

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Inhaltsverzeichnis
     
    Als Einkommensverteilung wird die tatsächliche oder rechnerische Verteilung der Gesamteinkommen bezeichnet, die in einer Volkswirtschaft innerhalb einer gewissen Zeitspanne erzielt wurden. Die Zusammenfassung der Einkommen zum gesamten Volkseinkommen kann nach verschiedenen Gesichtspunkten untergliedert werden.

    Die Einkommensverteilung ist vor allem auch wichtig, um die Schere zwischen Arm und Reich zu ermitteln.

    Formen der Einkommensverteilung

    Die Distribution innerhalb einer Volkswirtschaft kann auf unterschiedliche Weise betrachtet werden. Dabei stehen jeweils andere Aspekte im Fokus.

    Verteilung in einer Volkswirtschaft

    Bei dieser Analyseform wird die Verteilung allgemein auf ein ganzes Land oder eine Region bezogen. Ein mögliches Ergebnis dieser allgemeinen Betrachtung ist das Armutsgefälle.

    Personelle Einkommensverteilung

    Bei der personellen Distribution wird analysiert, wie sich die Einkommen auf unterschiedliche Personengruppen verteilen. So können zum Beispiel die Einkommen von Berufsgruppen aufgeschlüsselt werden oder die Einkommen von Menschen in einem bestimmten Alter.

    Möglich ist mit diesen Daten auch der Vergleich zwischen den Einkommen von Männern und Frauen. Wenn die personelle Einkommensverteilung berechnet wird, werden alle Einkommensarten einer Person addiert.

    Funktionelle Einkommensverteilung

    Wird dieser Ansatz gewählt, wird das gesamte Einkommen einer Volkswirtschaft auf die Bereiche Arbeit und Kapital verteilt. Ein Ergebnis dieser Berechnungen ist die sogenannte Lohnquote. Sie gibt an, wie viel der Einkünfte einer Volkswirtschaft tatsächlich aus Arbeit erzielt werden und nicht aus Kapitalerträgen oder dem Besitz von Grund oder Immobilien.

    Einteilung in Primär und Sekundär

    Allgemein wird bei der Analyse der Einkommensverteilung zwischen Primär- und Sekundärverteilung gesprochen.

    1. Primärverteilung

      Die Primärverteilung, welche sich direkt aus dem Produktionsprozess ergibt, reflektiert die Einkünfte der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Grundsätzlich werden das Bruttoeinkommen aus unselbstständiger Arbeit, aus selbständiger Tätigkeit und aus Vermögen betrachtet. Diese Art der Verteilung entsteht direkt aus dem Produktionsprozess. Somit handelt es sich um das Bruttoeinkommen, das durch selbständige oder unselbständige Arbeiten sowie durch Vermögen erzielt wird. Hierzu zählen Zinsen oder auch Mieteinnahmen.
    2. Sekundärverteilung
      Wird von Sekundärverteilung gesprochen, handelt es sich um die Einnahmen des Staates aus Sozialabgaben und Steuern, die in Form von Transferleistungen den Bürgern zu Gute kommen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Wohngeld, Arbeitslosengeld oder vergünstigte Kindergartenplätze handeln.

    Erhebung der Einkommensverteilung

    Die Einkommensverteilung wird auf der Basis statistischer Daten ermittelt, die in Deutschland vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) in einem Rhythmus von fünf Jahren erhoben werden.

    Dabei werden Bürger per Stichproben befragt. Die Teilnahme an diesen Umfragen ist freiwillig. In der Regel handelt es sich um etwa 0,3 Prozent aller Haushalte, deren Daten in die Erhebung einfließen.

    Anschließend werden diese Daten auf die tatsächliche Bevölkerung mit Hilfe statistischer Verfahren hochgerechnet. Neben der fünfjährlich stattfindenden, großen Erhebung erfolgen regelmäßig weitere, kleinere Erhebungen, um die Verteilung von Einkommen zu analysieren.

    Keine Befragung gewisser Haushalte

    Die Befragungen innerhalb der EVS werden üblicherweise nur bei Haushalten durchgeführt, deren monatliches Nettoeinkommen 18.000 Euro nicht überschreitet. Dies wird damit begründet, dass Haushalte mit höheren Einkünften in der Regel weniger bereit sind, Auskunft zu geben.

    Somit werden die Haushalte mit den größten Einkommen der Republik bei der Ermittlung der Einkommensverteilung nicht berücksichtigt. Gleichfalls fließen auch die Daten von Menschen nicht ein, die in Pflegeeinrichtungen leben oder die wohnungslos sind.

    Für jeden Bürger ist die Einkommensverteilung wichtig, um sich innerhalb der Volkswirtschaft zu orientieren. So können Sie anhand der Verteilung beurteilen, wie Sie im Vergleich zu anderen Personen- oder Berufsgruppen gestellt sind. Zugleich können durch eine ungleiche Einkommensverteilung Schwachstellen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik aufgedeckt werden. Denn eine ungleiche Einkommensverteilung kann sozialen Frieden verhindern, der für eine harmonische Gesellschaft wichtig ist. Herrscht zu große Ungleichheit, können auch die Produktivität, die Effizienz sowie die Gesundheit im Land leiden.

    Entwicklung in Deutschland

    In Deutschland hat sich die Einkommensverteilung seit 1990 kontinuierlich negativ entwickelt. Die Schere zwischen hohen und geringen Einkommen ist immer größer geworden. Für diese Entwicklung sehen Forscher unterschiedliche Gründe. Zum einen sorgt die steigende Zahl an Single- und Alleinerziehenden-Haushalten für geringe Einkünfte. Und zum anderen war es die seit den 1990er-Jahren steigende Arbeitslosigkeit, welche die Ungleichheit verstärkte. Die hohen Arbeitslosenzahlen entstanden damals, weil viele Betriebe der ehemaligen DDR aufgelöst und privatisiert wurden, wodurch ein großer Teil der Bevölkerung seinen Job verlor.

    Obwohl sich die Arbeitslosenzahlen heute in Deutschland eher positiv entwickeln, hat sich an der ungleichen Einkommensverteilung nur wenig geändert. Als verantwortlich für diese Tendenz wird der steigende Niedriglohnsektor gesehen. Dort finden zwar immer mehr Menschen eine Anstellung, aber die Bezahlung ist so gering, dass sie auf die Einkommensverteilung keinen Einfluss hat. Lediglich die Sekundärverteilung könnte dadurch profitieren, weil die Transferleistungen durch sinkende Arbeitslosenzahlen geringer werden.

    Die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung wird zudem durch die große Einkommenssteigerung des reichsten Zehntels der Bevölkerung verstärkt.

    Weltweite Entwicklung

    Weltweit ist einerseits die Tendenz zu mehr Ungleichheit beim Einkommen festzustellen. Schon 2010 hat das reichste Zehntel der Weltbevölkerung fast die Hälfte des globalen Einkommens besessen. Diese Tendenz hat sich fortgesetzt. Allein in Deutschland entfielen 23 Prozent des gesamten Einkommens auf gerade einmal 0,1 Prozent der Bevölkerung.

    Während in den Industriestaaten die Mittelschicht jedoch immer kleiner wird, gibt es andererseits weltweit eine wachsende Mittelschicht. Laut Daten der Weltbank hat die Armut weltweit abgenommen, auch wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer noch groß ist. Langfristig zählen vor allem die Schwellenländer zu den Regionen, in welchen die Einkommensverteilung eine positive Entwicklung nimmt.

    Praktische Folgen

    Eine gerechte Einkommensverteilung ist wichtig für den sozialen Frieden in einem Land. Wenn nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung von hohen Einkünften profitiert, können im schlimmsten Fall Unruhen die Folge sein. Möglich sind zum Beispiel auch häufige Streiks, welche die Produktivität und das „Funktionieren“ des Staates beschränken.

    Um die Folgen einer ungleichen Einkommensverteilung abzumildern, greift der Staat ein. So ist die Einkommensverteilung in Deutschland wie in den meisten Industriestaaten ungleich. Doch die Politik reagiert mit unterschiedlichen Maßnahmen, um den sozialen Frieden zu wahren.

    • Sozialpolitik: Mit Hilfe von Transfer- und Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kindergeld kann der Staat die Einkommensungleichheit für bestimmte Bevölkerungsgruppen auffangen.
    • Steuerpolitik: In Deutschland hat der Staat die Steuern für die einkommensschwachen Haushalte gesenkt. Sie bezahlen gar keine oder nur geringe Steuern, während der Spitzensteuersatz für die Topverdiener bei 42 Prozent liegt. So zahlt das obere Zehntel der Einkommensbezieher in Deutschland zum Beispiel laut Daten des IVW Köln mehr als die Hälfte der Einkommenssteuer. Eine Debatte, die in Deutschland immer wieder als mögliche Maßnahme zur Beseitigung von sozialer Ungleichheit geführt wird, sieht zum Beispiel auch eine Senkung der Mehrwertsteuer vor,
    • Arbeitsmarktpolitik: Indem der Staat gezielt Förderprogramme zur Steigerung der Beschäftigungszahlen startet, finden mehr Menschen Arbeit.

    Doch trotz aller staatlichen Maßnahmen bleibt der Einfluss des Staats häufig begrenzt. In manchen Fällen können Maßnahmen auch einen negativen Effekt bewirken. So kann zum Beispiel die Erhöhung von Steuerabgaben für Unternehmen zur Abwanderung eben jener Unternehmen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.

    Insgesamt hängt zudem die Interpretation der Einkommensverteilung vom jeweiligen Betrachter ab. So argumentieren zum Beispiel viele Einkommensbezieher mit dem höchsten Steuersatz, dass sie auch überproportional Steuern bezahlen müssen. Im Gegenzug dazu fühlen sich viele Geringverdiener ungerecht behandelt, wenn sie für die gleiche Arbeitszeit nur einen Bruchteil verdienen.

    Letztlich spielt es bei der Auswertung der Einkommensverteilung außerdem eine Rolle, welche Bevölkerungsgruppe, Berufsgruppe oder Einkommensgruppe betrachtet wird. Darüber hinaus fassen unterschiedliche Akteure die jeweiligen Gruppen anders. Während die Mittelschicht nach der Definition der Bundesregierung schon bei einem monatlichen Nettoeinkommen von knapp 1.000 Euro beginnt, fängt sie für das DIW erst bei knapp 1.200 Euro an. Das Institut für Wirtschaft in Köln verwendet deshalb zwei Definitionen und führt die „Mittelschicht im weiten Sinn“ sowie die „Mittelschicht im engen Sinn“ an.

    Einfluss der Lohnquote

    Ein wichtiger Faktor für die Folgen der Einkommensverteilung ist die Lohnquote. Sie gibt an, in welchem Verhältnis die Arbeitnehmerentgelte zum Volkseinkommen stehen. Heute liegt die Lohnquote in Deutschland bei etwa 68 Prozent. Während diese Zahl für viele Statistiken relevant ist, weil sie das Ergebnis sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung darstellt, gibt die Zahl nicht wieder, welchen Anteil an der Einkommensverteilung die Einkünfte aus selbständiger Arbeit haben.

    Deutschland im Vergleich

    Wenn die Einkommensverteilung weltweit verglichen wird, kommt der sogenannte „Gini-Koeffizient“ zum Tragen. Danach wird auf einer Skala von 0 bis 1 der Grad der Ungleichheit in einem Land beschrieben. 0 bedeutet totale Gleichverteilung und 1 totale Ungleichverteilung. Deutschland hat nach dem Global Wealth Databook der Credit Suisse einen Gini-Index von 0,79 oder 79 Punkten und liegt damit auf einem Ungleichheits-Niveau mit Togo oder Marokko. Eine ähnlich hohe Ungleichverteilung gibt es in Italien (Gini-Index von 0,69), in Frankreich (0,72) oder Großbritannien (0,73).

    Deutlich gerechter geht es nach diesen Zahlen sogar in Weißrussland oder Tadschikistan zu. Das „gerechteste“ Land ist demnach die Slowakei. Auch die skandinavischen Länder sind bei der Einkommensverteilung führend. Traditionell sind Länder wie Schweden, Dänemark oder Norwegen an hoher sozialer Gerechtigkeit interessiert. So gibt es dort zahlreiche Maßnahmen, die ein großes Maß an Gleichbehandlung aller Bevölkerungsschichten fordern. So ist die Förderung von Familien mit Kindern in den skandinavischen Ländern traditionell besser als in Deutschland. Dadurch können zum Beispiel beide Elternteile arbeiten oder erhalten entsprechende Leistungen, wodurch das Einkommen durch Kinder nicht signifikant sinkt.

    Die größte Ungerechtigkeit bei der Einkommensverteilung ist laut dem Report der Credit Suisse in den USA, China, Indien und Russland zu finden. Zu dieser sozialen Ungleichheit führen meist fehlende Sozialleistungen. Indien und China als die bevölkerungsreichsten Länder beginnen erst damit, eine Mittelschicht zu bilden.  

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