Zinseszins: Erklärung, Formeln und Informationen

Beim Zinseszins wird der Zins einer Anlage oder eines Kredits nach jedem Zinsintervall wieder verzinst. Dies hat zur Folge, dass die Kapitalsumme nicht linear, sondern exponentiell wächst. Für das menschliche Denken ist solch ein Wachstum jedoch schwer fassbar, dies zeigt unter anderem das Gedankenspiel des Josephspfennigs sehr eindeutig: Bei dieser Beispielrechnung ergeben sich Summen, die die Vorstellungskraft schnell übersteigen. Da der Zinseszins entsprechende Risiken birgt, ist er in Deutschland eigentlich verboten. Das Rechtssystem macht jedoch zahlreiche Ausnahmen, sodass der Zinseszins de facto eine zulässige Praktik bei Finanzgeschäften geblieben ist.

Daniel Winterl

Redaktionsleitung FinanceScout24


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Zuletzt aktualisiert: June 09, 2023

Author Daniel Winterl

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Daniel Winterl verantwortet als gelernter Betriebswirt die Finanz- und Versicherungsthemen bei FinanceScout24, um Ihnen die wichtigsten Infos bei ihrer Suche zur Verfügung zu stellen und das richtige Angebot für Sie zu finden.

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Inhaltsverzeichnis
     

    Zinsen sind im Grunde die Kosten für einen Kredit, wobei Geld überlassen wird. Der Schuldner zahlt dem Gläubiger in festen Intervallen einen vorher vertraglich festgesetzten Betrag. Als Bankkunde können Sie dabei beide Rollen einnehmen: Haben Sie einen Kredit aufgenommen, ist die Bank Ihr Gläubiger, haben Sie Geld angelegt, ist sie Ihr Schuldner. Im Bankwesen wird der Zins in der Regel als Prozentsatz der ausgezahlten Summe angegeben. Wie hoch dieser Zinssatz ausfällt, hängt von der allgemeinen Marktlage sowie von der Dauer der Investition ab.

    Wenn Sie sich dazu entschließen, einen Kredit aufzunehmen, hilft ein erster Kreditvergleich.

    Als Zinseszinsen werden Zinsen bezeichnet, die Anleger zusätzlich auf ihre Zinsen erhalten. Der Zinseszinseffekt wird mittels des sofortigen Reinvestieren oder Thesaurieren der Zinserträge erzielt. Dabei wächst das angelegte Kapital  schneller, da die erhaltenen Zinsen direkt wieder angelegt und somit nicht ausgegeben werden. Durch diesen Zinseszinseffekt entwickelt sich das Kapital nicht nach einem konstanten, linearen Muster, sondern nimmt exponentiell, respektive prozentual, zu. Das Problem: Die direkte menschliche Erfahrung verläuft linear, das Gehirn hat deshalb Probleme damit, sich exponentielles Wachstum zu vergegenwärtigen.

    Um die schwer vorstellbare Entwicklung eines exponentiellen Wertes anschaulich zu machen, führen Wirtschaftswissenschaftler daher für den Zinseszins oft das Beispiel des Josephspfennigs an.

    Josephspfennig: Astronomische Entwicklung des Zinseszinses

    Angenommen, Jesus‘ Vater Joseph hätte im Jahre 0 einen Cent für seinen Sohn auf der örtlichen Bank von Betlehem angelegt. Der Zinssatz beträgt 5 Prozent – und es gilt das Gesetz des Zinseszinses. Was denken Sie, welchen Stand hat diese Einlage im Jahr 2000 erreicht? Schreiben Sie Ihre Schätzung auf und gleichen Sie sie mit dem unten angegebenen Endwert nach 2000 Jahren ab.

    Josephspfennig für 300 Jahre

    Das Schaubild zeigt die Entwicklung von Josephs Anlage in den ersten 300 Jahren. Während das Kapital in den ersten 200 Jahren eher langsam wächst, zeichnet sich nach ungefähr 250 Jahren ein dramatischer Anstieg ab.

    Im Jahr 300 haben Josephs Nachfahren bereits über 20.000 Euro auf dem Konto. Die Kurve steigt danach weiter extrem steil an, im Jahr 500 sind allein durch den Zinseszinseffekt 393 Millionen Euro erreicht. Um die Beträge ab dieser Marke für den menschlichen Geist fassbar zu machen, rechnen Ökonomen dann mit Erdkugeln aus Gold. Um das Jahr 1500 ist aus dem einen Cent eine solche Erdkugel aus Gold geworden.

    Durch das exponentielle Wachstum sind Mitte des 18. Jahrhunderts bereits eine Million goldene Erdkugeln erreicht, im 20. Jahrhundert dann eine Milliarde. Im Jahr 2000 schließlich erreicht die Anlage von einem Cent einen Wert von 23.911.022.046.136.200.000.000.000.000.000.000.000.000 Euro.

    So viel hätte Joseph mit Zinsauszahlung gespart

    Zum Vergleich: Hätte Joseph eine Anlagevariante mit einfachem Zins gewählt, sich die Zinsen also jedes Jahr ausbezahlen lassen, hätte er im Lauf von 2000 Jahren einen Euro Zinsen erhalten.

    Zinseszins bei Finanzierungen und Krediten

    Die für einen Kredit zu zahlenden Zinsen ergeben sich aus dem geltenden Zinssatz sowie dem noch ausstehenden Kreditbetrag. Die monatlichen Kreditzinsen werden berechnet, indem der ausstehende Betrag mit dem Zinssatz multipliziert wird und diese Zahl anschließend durch 1.200 dividiert.

    Gerade weil das Prinzip des Zinseszinses das menschliche Vorstellungsvermögen schnell übersteigt, müssen Sie bei Finanzierungen und Krediten vorsichtig sein, wenn deren Zins wieder verzinst wird. Denn die Kreditsumme wächst durch den Zinseszinseffekt nicht linear, sondern exponentiell. Hierbei ist jedoch auch zu beachten, dass der exorbitante Anstieg erst nach längerer Anlagedauer greift.

    Ein Beispiel zur Kreditberechnung: Bausparer X leiht sich von Bank Y 100.000 Euro für die Finanzierung seines Hauses. Er bezahlt jährlich vier Prozent Zinsen, also 4.000 Euro. Sollte X einmal mit der Tilgung nicht nachkommen können, würde also erst im dritten Jahr Zinsen bezahlen, fielen ohne Zinseszins 12.000 Euro an. Bei einem Kredit mit Zinseszins werden die Zinsen mit verzinst, X müsste nach drei Jahren entsprechend nicht 12.000, sondern 12.486,40 Euro an Zinsen bezahlen.

    Rechnen Sie vorher durch!

    Vertrauen Sie bei der Sichtung von Angeboten mit Zinseszins niemals nur auf Ihr Bauchgefühl, sondern ausschließlich auf den Taschenrechner. Ermitteln Sie unbedingt die tatsächlich zu bezahlende Zinssumme, bevor Sie einen Vertrag unterzeichnen.

    Theoretisch sind Zinseszinsen bei Krediten verboten

    Dem Gesetzgeber ist schon lange bewusst, dass Zinseszinsen kaum einzuschätzen sind. Bereits seit dem Jahr 1900 sind Zinseszinsen daher verboten. Zitat aus Absatz eins, Paragraph 248 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): „Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, dass fällige Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, ist nichtig.“ Doch bereits in dieser Formulierung verbirgt sich die erste von vielen Ausnahmen zur gesetzlichen Regelung des Zinseszinses. Denn es ist von „im Voraus“ getroffenen Vereinbarungen die Rede. Wird der Zinseszins nach Abschluss eines Vertrages festgesetzt, ist er zulässig.

    Die wichtigste Ausnahme zum Zinseszinsverbot steht jedoch nicht im BGB, sondern im Handelsgesetzbuch (HGB), im Paragraphen 355 (Kontokorrent). Die dort vorzufindende, komplizierte Formulierung lässt sich in einfaches Deutsch übertragen. Sinngemäß heißt es: Wenn sich ein Kaufmann, beispielsweise ein Kreditinstitut, an einem Geschäft beteiligt, sind Zinseszinsen zulässig.

    Zinseszins bei der Geldanlage

    Im oben erklärten Beispiel mit dem Josephspfennig wird deutlich, wie exorbitant sich der Zinseszins bei Geldanlagen bemerkbar machen kann – insbesondere dann, wenn das Geld für längere Zeiträume angelegt wurde. Generell haben Sie von Geldanlagen mit Zinseszins mehr als von solchen mit linearem Zins. Dennoch gibt es einige Dinge zu beachten.

    Wichtig bei der Auswahl einer Geldanlage mit Zinseszins und festem Zinssatz sind die Intervalle, in denen die Zinsen fällig werden. Je öfter das Kreditinstitut Zinsen abrechnet, desto schneller wächst die Anlagesumme. Auch die Höhe des Zinssatzes ist von Bedeutung: Bei einem exponentiellen Wachstum kann schon eine Änderung um einen Prozentpunkt große Auswirkungen auf die Zinssumme haben.

    Zuletzt gilt: Je länger das Kapital liegt, desto rasanter entwickelt es sich. Rechenbeispiele finden Sie im unteren Abschnitt.

    Werden beispielsweise 500 Euro angelegt und diese mit 10% Zinsen verzinst, erhält der Anleger 550 Euro. Im Falle des Zinseszins wird diese Summe wieder mit 10% verzinst und der Anleger erhält somit 605 Euro.

    Bei Geldanlagen mit veränderlichem Zinssatz spielt der Zinseszins ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Rendite lässt sich nicht kalkulieren, eine mögliche Anlage wird damit spekulativer. Wichtig ist es dabei, den Trend abzuschätzen: In Zeiten steigender Zinsen kann sich eine Anlage mit veränderlichem Zinssatz und Zinseszins anbieten. Bei fallenden Zinsen sollten Sie jedoch auf Anlageformen mit festem Zinssatz zurückgreifen. Verlässlicher ist Letzteres in jedem Fall.

    Den Zinseszins berechnen

    Bei der Berechnung des Zinseszinses sind die folgenden Faktoren von Bedeutung:

    • Anfangskapital K0
      Gibt das Kapital an, welches zu Beginn vorhanden ist.
    • Zinssatz p
      Zu diesem Zinssatz wird das Geld angelegt.
    • Laufzeit n
      Die Dauer, für die das Anfangskapital mit dem jeweiligen Zinssatz angelegt wird.
    • Endkapital Kn
      Höhe des Kapitals, welches nach der Verzinsung des Anfangskapitals nach der Laufzeit vorhanden ist.

    Formel Zinseszins: Kn = K0 × (1 + (p ÷ 100))n

    Um den erzielten Zins zu errechnen, müssen Sie nur das Anfangskapital vom Endkapital abziehen.

    Beispielrechnung 1: Kredit mit Zinseszins

    Im Abschnitt zu Krediten und Finanzierungen mit Zinseszins ist bereits eine beispielhafte Situation vorgekommen: Bausparer X nimmt bei Bank Y einen Kredit über 100.000 Euro auf. Der Zinssatz beträgt vier Prozent, zu bezahlen jedes Jahr. X lässt die Summe jedoch drei Jahre lang liegen, ohne Raten zu bezahlen. Folgendermaßen sähe die Rechnung mathematisch aus:

    DauerBerechnungsgrundlageKapitalsumme
    1. Jahr 100.000 Euro × (1 + (4 ÷ 100))1 104.000 Euro
    2. Jahr 100.000 Euro × (1 + (4 ÷ 100))2 108.160 Euro
    3. Jahr 100.000 Euro × (1 + (4 ÷100))3 112.486,40 Euro

    Beispielrechnung 2: Geldanlage mit Zinseszins

    Die Wenigsten legen wohl, wie Joseph im obigen Gedankenspiel, einen Cent für 2.000 Jahre an. Im Folgenden finden Sie eine Beispielrechnung mit einem alltagsnäheren Grundbetrag: Ihre Anlage beläuft sich auf 10.000 Euro, zu einem Zinssatz von 5 Prozent, die Zinsen werden jährlich addiert. So entwickelt sich das Kapital:

    Dauer Berechnungsgrundlage Kapitalsumme
    1. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))1 10.500 Euro
    2. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))2 11.025 Euro
    3. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))3 11.576,25 Euro
    4. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))4 12.155,06 Euro
    5. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))5 12.762,82 Euro
    6. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))6 13.400,96 Euro
    7. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))7 14.071,00 Euro
    8. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))8 14.774,55 Euro
    9. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))9 15.513,28 Euro
    10. Jahr 10.000 Euro × (1 + (5 ÷ 100))10 16.288,95 Euro

    Wie Sie sehen, werden die Sprünge in den einzelnen Jahren immer größer. Während Sie als Anleger im ersten Jahr 500 Euro Zinsen verdienen, sind es im zehnten Jahr bereits rund 776 Euro – Tendenz (stark) steigend.

    Zum Vergleich: Bei linearem Zins hätten Sie im selben Betrachtungszeitraum 15.000 Euro statt 16.288,95 Euro verdient. Das Schaubild zeigt den Unterschied deutlicher, auch der starke Aufwärtstrend der Kurve mit Zinseszins ist klar erkennbar:

    Rechenbeispiel: Geldanlage über 10.000 Euro mit und ohne Zinseszins-Effekt

    Beachten Sie, dass die Höhe des Zinssatzes einen großen Einfluss auf die Endsumme hat. Wenn sich der Zinssatz im obigen Beispiel um nur einen Punkt auf 6 Prozent erhöht, kommen Sie nach zehn Jahren statt auf die errechneten 16.288,95 Euro auf 17.908,47 Euro.

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